100 Jahre IVT - Buchpräsentation
1920 führte die dynamische Entwicklung der vergleichsweise jungen Wissenschaftsdisziplin Thermodynamik und deren Anwendung auf Wärmekraftmaschinen in Verbindung mit der, wie es hieß, „für die Energiewirtschaft des Staates so ausschlaggebenden Bedeutung“ zur Gründung einer Lehrkanzel an der Technischen Universität Graz. Möchte man dafür einen exakten Zeitpunkt angeben, kann die „am 1. Oktober erfolgte Neuaufstellung der Lehrkanzel für Thermodynamik und Verbrennungskraftmaschinen“ genannt werden.
In den vergangenen 100 Jahren hat das Institut eine einzigartige und geradezu unglaubliche Entwicklung erfahren. Diese Entwicklung ermöglichte die Ausbildung vieler Studierenden in Grundlagen der Thermodynamik sowie deren Anwendungen auf dem aktuellen Stand der Technik. Die Entwicklung der Forschungsaktivitäten und der wissenschaftlichen Ergebnisse kann sehr gut anhand der seit Beginn erstellten und im Anhang aufgeführten über 1000 Diplom- bzw. Masterarbeiten, 343 Dissertationen und 22 Habilitationen verfolgt werden. Damit war das Institut über die Jahre auch Arbeitsstätte für viele Mitarbeiterinnen. Die Forschungsaktivitäten erlaubten nicht nur die Anstellung von Mitarbeiterinnen über Drittmittel, sie unterstützten und unterstützen auch die spezifische österreichische Industrie und bildeten die Basis für die Gründung von einigen Unternehmen. Derzeit sind etwa 120 Mitarbeiterinnen an Institut und Forschungsgesellschaft beschäftigt. Würde man auch das Umfeld der eng verbundenen und aus dem Institut hervorgegangenen Unternehmen LEC und HyCentA dazu zählen, so sind es deutlich über 200 Mitarbeiterinnen.
Konstant geblieben ist über die Jahre, dass die Forschung anwendungsorientiert ist und unmittelbar Eingang in die Lehre findet. Ebenso hat die vom ersten Institutsvorstand Julius Magg formulierte Einstellung, „Theoretische Vorarbeit ist noch stets billiger gewesen als der Versuch, zumal als der durch keinen theoretischen Untergrund gestützte Versuch“, bis heute grundsätzliche Gültigkeit, wenn sich natürlich auch der „theoretische Untergrund“ deutlich geändert hat: Numerische Simulation, phänomenologische und datengetriebene Modellierung und deren methodische Weiterentwicklung bilden neben einer exzellenten experimentellen Ausstattung und Messtechnik das Rückgrat der Forschungsarbeiten.
Sie erstreckten sich zunächst auf verbrennungsmotorische Anwendungen mit grundlegenden Untersuchungen von Arbeitsverfahren, Möglichkeiten zu deren rechnerischer Behandlung und Entwicklung von Analyseverfahren, Einsatz unterschiedlicher Kraftstoffe etc. Bereits in den ersten 30 Jahren wurden, um nur einzelne Beispiele zu nennen, Dieselmotorische Brennverfahren, Großmotoren, Aufladekonzepte, Brennverfahren für unkonventionelle flüssige und gasförmige Kraftstoffe, Zweitakt-Direkteinspritzverfahren sowie Berechnungsverfahren zur Abbildung des motorischen Arbeitsprozesses wie die thermodynamische Verlustteilung entwickelt. Im Lauf der Jahre erstreckten sich die Forschungsarbeiten auf immer mehr Anwendungen wie Kompressoren, Kälteanlagen und Wärmepumpen. Sogar an den ersten Strahltriebwerken wurde in Forschungsprojekten gearbeitet. Immer stärker rückten in den letzten Jahrzehnten Fragen der Emissionen von Schadstoffen und klimarelevanten Abgasen sowie zu den Umweltauswirkungen des Verkehrs in den Fokus und führten zur Gründung eigener Forschungsbereiche. Deren Arbeiten reichen von Messung und Simulation von Emissionen und Energieeffizienz, Mitwirkung an gesetzgeberischen Rahmenbedingungen bis zu Fragestellungen der Umweltverträglichkeit, im Besonderen der Luftgütebetrachtung in urbanen Räumen sowie der Tunnellüftung und -sicherheit unter Einbeziehung von Brandfällen. Bei Forschungsarbeiten zu zukünftigen Antriebssystemen steht dementsprechend die Zielsetzung 20 Professoren am Institut 2020 zu minimalen oder vernachlässigbaren Emissionen, häufig auch mit der Bezeichnung „Zero Impact“ charakterisiert, im Vordergrund. Dass dabei Wasserstoff als Energieträger eine besondere Rolle einnehmen kann und wird, haben bereits die Arbeiten der letzten Jahre gezeigt, die zukünftig auch intensiviert werden.
Die gesamte Vielfalt der in Frage kommenden und am Institut behandelten Antriebssysteme wird demnächst auch eine Anpassung der Institutsbezeichnung erfolgen. Die Forschung und Entwicklung umweltverträglicher, nachhaltiger Antriebssysteme sorgten für eine extrem spannende und herausfordernde Zeit für alle Beteiligten, wobei Kompetenz und Anwendung der Thermodynamik von elementarer Bedeutung sind. Das ist unabhängig davon, ob es um das Thermomanagement von Fahrzeugantrieben mit Batterieelektrischen Systemen, die Thermodynamik von Brennstoffzellen oder um Verbrennungskraftmaschinen mit nachhaltig hergestellten Kraftstoffen wie E-Fuels geht.
Mit dieser Chronik sollen sowohl die historische Entwicklung als auch die aktuellen Schwerpunkte unserer Arbeiten gezeigt werden. Für die Verfassung des historischen Teiles möchte ich mich bei Herrn Bernhard Reismann bedanken, der in akribischer Arbeit vorwiegend anhand der Rektoratsakten die ersten 50 Institutsjahre durchforstete und in kompakter und spannender Art zusammenfasst. Rudolf Pischinger, der als Vorstand von 1970 bis 2002 das Institut geleitet und wesentliche thematische Erweiterungen der Forschungsaktivitäten initiiert sowie umfangreiche Drittmittelaktivitäten begonnen hat, verfasste den Beitrag zu dieser Zeit, wofür ich mich ebenso bedanken möchte. Den aktuellen Stand unserer Forschungsaktivitäten haben die auf den nächsten Seiten abgebildeten Leiter der Forschungsbereiche verfasst – herzlichen Dank dafür. Gemeinsam mit allen engagierten Mitarbeiterinnen bilden sie das „Antriebssystem“ des Institutes. Ihnen allen, die für eine erfolgreiche Entwicklung und den Bestand in der heutigen Form verantwortlich waren und sind, gebührt besonderer Dank. Ebenso möchte ich meinen herzlichen Dank auch unseren Partnern aus Universität, Forschungseinrichtungen, Industrie und öffentlichen Stellen für die ausgezeichnete Kooperation aussprechen. Diese waren und sind die Basis für spannende, umfangreiche Forschungsaktivitäten von hoher gesellschaftlicher Relevanz.
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